Vom 20. Bis 22. März 2019 folgten über 30 Interessierte aus 8 Ländern der Einladung des Lehrstuhls zu einem Besuch an der Isar, um für ihre Gebiete Erkenntnisse zur Implementierung naturbasierter Lösungen zu gelangen. An drei Tagen konnten sich die PHUSICOS-Projektpartner aus erster Hand über die Isar-Renaturierung und ihre partizipative Planung informieren. Dabei standen zentrale Akteure der Isar-Renaturierung, die maßgeblich den Isar-Plan vorantrieben, den internationalen Experten Rede und Antwort. Bei Exkursionen an die renaturierte Isar in München, zum Sylvensteinspeicher und zur Versuchsanstalt Obernach konnten die Projektpartner direkt vor Ort die gefundenen Lösungen besichtigen und diskutieren, welche Erkenntnisse aus dem Beispiel Isar für andere Regionen in Europa gezogen werden können. Vier Kernpunkte wurde bearbeitet.
Der erste Themenschwerpunkt war, von einer als vorbildlich umgesetzt bezeichneten naturbasierten Lösung Erkenntnisse zu gewinnen und von den Erfahrungen der Isar-Partner zu lernen, um daraus Schlüsse für erfolgreiches Handeln andernorts ziehen zu können. Daher standen am ersten Tag des Besuchs zunächst Vorträge und Diskussionen mit den zentralen Akteuren des Isar-Plans auf dem Programm. Walter Binder berichtete in seinen Vorträgen darüber, welche Herausforderungen Flussrenaturierungen an bayerischen Gewässern und der Isar im Speziellen bergen, mit welchen Leitbildern gearbeitet werden kann und wie diese exemplarisch aussehen können. Dabei verwies er auch auf entstehende neue Handlungsfelder, wie etwa starker Erholungs- und Freizeitdruck auf die Flussabschnitte, die aufgewertet wurden. Danach erläuterte Klaus Bäumler in seinem Beitrag anschaulich die Entwicklung der Isar als kanalisierter Fluss, von dem im Sommer oft nur ein kleineres Rinnsal übrig war, hin zu einem lebendigen Fluss. Am Nachmittag konnten sich die Teilnehmenden unter fachkundiger Führung von Dr. Aude Zingraff-Hamed (TUM) und Robert Harfmann (Wasserwirtschaftsamt München) an der Isar im Stadtgebiet München den umgesetzten Maßnahmen beobachten, und über den verbleibenden und neuen Herausforderungen erfahren. Am dritten Tag stellte Oliver Engelmayer (Planungsbüro BME) in seinem Vortag die verschiedenen Planungen und die Umsetzung an der Isar vor. Die technischen Details und praktische Beschreibung der Planungsprozesse und die Zusammenarbeit der verschiedenen Akteure gaben wichtige Impulse für die internationalen Experten.
Der zweite Themenschwerpunkt diente dazu, Anregungen und Impulse für die lokalen partizipativen Prozesse der Projektpartner zu geben. Dazu wurden sowohl theoretische Grundlagen als auch praktische Erfahrungen der Praxispartner vorgestellt. Walter Binder (ehem. Mitarbeiter des Wasserwirtschaftsamts) berichtete über die Mühltal-Initiative und wie die Zusammenarbeit der verschiedenen Akteure zu einer erfolgreichen Implementierung von Renaturierungsmaßnahmen führte. Klaus Bäumler (Münchner Forum) zeigte in einem Rückblick die Entwicklung der partizipativen Prozesse auf, die zum Isar-Plan mit den verschiedenen gemeinschaftlich geplanten Maßnahmen führten und die dann zwischen 2000 und 2011 baulich umgesetzt wurden. Er betonte dabei die Wichtigkeit des bürgerschaftlichen Engagements und der engen Einbindung von verschiedenen Akteuren der Zivilgesellschaft bei der Flussentwicklung, um so Akzeptanz zu schaffen. Am drittenTag, wurde nach einem Impulsvortrag von Dr. Gerd Lupp (TUM) zur gemeinschaftlichen Planung und Entwicklung von naturbasierten Lösungen mit Living Lab Ansatz darüber diskutiert, wie dies in Partnergebieten umgesetzt werden kann. Aus den verschiedenen Erfahrungen wurde die Schlussfolgerung gezogen, dass partizipative Prozesse lokale Rahmenbedienungen reflektieren und dass standardisierte Verfahren flexibel angewandt werden müssen.
Der dritte Themenschwerpunkt der Veranstaltung zielte darauf ab, den fachliche Hintergrund der naturbasierten Lösungen an der Isar und die Wirkung von grauer Infrastruktur zum Hochwasserschutz kritische zu reflektieren. Deswegen wurde am zweiten Tag eine Exkursion an die Obere Isar durchgeführt. Die Teilnehmer erfuhren von Dr. Tobias Lang (Wasserwirtschaftsamt Weilheim), dass der Sylvensteinspeicher als Maßnahme gebaut wurde, um die Wasserableitung von Krüner Wehr auszugleichen und für ausreichende Restwassermengen zu sorgen, damit ökologische Funktionen der unteren Isarabschnitte gesichert sind. Der Speicher besitzt auch eine Rolle für den Hochwasserschutz der Städte Bad Tölz und München. Dennoch sind die Steuermöglichkeiten bei Starkniederschlägen begrenzt, da der Speicher nur auf 5% des Einzuggebietes eine regulierende Funktion wahrnehmen kann. Für einen effizienten Hochwasserschutz ist daher das Zusammenspiel von verschiedenen technischen Lösungen wie wasserbaulichen Maßnahmen und Renaturierungsmaßnahmen von besonderer Bedeutung. Der Besuch am Sylvensteinspeichersee verdeutlicht daher die besonderen Herausforderungen, vor denen das Gewässermanagement in dichtbesiedelten Räumen steht und für die es keine einfachen Antworten gibt. Am Nachmittag konnten die Projektpartner in Versuchsanstalt Obernach Einblicke erhalten, wie Fluss- und hydrologische Modellierungen durchgeführt werden. Prof. Arnd Hartlieb (TUM) erklärte den Teilnehmenden, wie die Ergebnisse von Modellierungen mittels aufgebauter Modellversuche und digitaler Simulationen dazu dienen, effiziente und kostengünstige Lösungen zu entwickeln.
Der vierte Themenschwerpunkt ermöglichte den Projektpartnern, Einblick in andere Forschungsprojekte zu erhalten, die sich mit dem Thema Renaturierung von Flüssen beschäftigen. Stefan Giehl (TUM) und Johanna Springer (TUM) gaben mit ihren Vorträgen zur Hochwasserrückhalteplänen an Inn und Donau abschließend einen Überblick über die gemeinsamen Fragestellungen Wie schafft man mehr Platz für den Fluss? Wie gewinnt man dafür Akzeptanz? Wie entscheiden wir, welche Maßnahmen sind für uns aktuell und in Zukunft die besten Lösungen?
In den drei Tagen zu Gast am Lehrstuhl konnten die Teilnehmer viele Eindrücke und Anregungen für die eigene Arbeit sammeln. Im Mai 2020 wollen sich die Projektpartner erneut treffen, um sich über naturbasierte Lösungen zu informieren und auszutauschen, welche Möglichkeiten im Land- und Waldmanagement bestehen, um Naturgefahren zu reduzieren. Weitere Informationen dazu und Einladungen erfolgen voraussichtlich im Herbst 2019.